Was für ein Spiel, was für ein Tag, was für Entscheidungen.
Mein letztes Spiel als Gegengeradengästefan (im Erfurt- Block) war irgendwann kurz vor 1980 und nun hatten es die Funktionäre,
Sicherheitstolpatsche und die Verantwortlichen des CFC geschafft, die Leute, die schon beinahe an den Stufen des Blockes 3
angewachsen waren, zu vertreiben.
Vertrieben, verjagt aus dem geliebten zweiten Schrebergarten wegen ein paar Hohlroller, die in den letzten Wochen
Imbissbudenfrauen verbrüht (Plauen), Imbissbudenfrauen mit Glasflaschen zerschnitten (Plauen), Paderborner Softfans die Fahne
geklaut, vielen den Schal gemaust und ebenso vielen mit Steinen kurzzeitige gesundheitliche Veränderungen zugefügt hatten.
Was kostet ein, dem Gästezuschauerandrang angemessener Polizeieinsatz, im Vergleich zum Verlust durch Begrenzung der
Ticketverkäufe?
Was kosten dem Verein missmutige Fans, die sich in ihrer Ehre durch den Verlust des Abonnementstehplatzes gekränkt fühlen müssen?
Wie viel Kredit verspielen eigentlich ehemals gestandene Profis des Chemnitzer FC durch Äußerungen wie: "Dynamofans sind
treuer...es war immer mein Traum bei Dynamo....?"
Welcher Verein, welcher Trainer, welches Umfeld ermöglichte diesen Spielern Zweitligafußball, Zweitligagehälter,
Europapokalspiele...?
Was mögen die zahlreichen durch Dynamo- "Fans" Geschädigten angesichts solcher Äußerungen empfunden haben?
Es bleibt nur zu vermuten.
Bei einer Angleichung der persönlichen Affinitäten müsste man dieser hereinbrechenden Flut vonGästen fast schon Raub,
Verletzung, kaputte Autos, geklaute Schals, also die ganze "Heimzahlpalette" wünschen, aber man weiß ja wie es ist:
Treffen würde es wieder nur die Unschuldigen, die die wegen Dynamo und dem Fußball angereist sind und nicht die die sich
verpissen, oder unfreiwillig freiwillig Polizeischutz genießen.
Fußball kann aber trotzdem schön sein. Hoffte ich noch vor Wochen vorurteilsfrei auf einen echten Knaller mit großer Kulisse,
weil es für Dynamo um den Aufstieg in die zweite Bundesliga hätte gehen können, lief kurzfristig alles auf ein unbedeutendes,
wenn auch interessantes und spannendes Sachsenderby hinaus. Dann gab es aber eine unverhoffte Wendung. Lustlose und schon bei
anderen Vereinen für die kommende Saison untergekrochene Profis ließen sich hängen und stürzten den Chemnitzer Club in den
Bereich der schon sicher entronnen geglaubten Abstiegsplätze.
So wurde es doch noch ein Schicksalsspiel und schön das mit dem nahenden Aufstieg der Erzfeinde aus Aue auch noch der Wechsel
von Tchipev eben dorthin und kurz vor diesem Derby durchsickerte. Somit erhöhte sich der Kreis der an diesem Tag auf der
Fischerwiese unerwünschten Personen um einen weiteren Kicker.
Als um 16 Uhr die ganzen oberkörperfreien und geschlauchten James Dean's und Oli P.'s aus Dresden zum Hauptbahnhof schlichen,
waren alle Vorgeplänkel und Vermutungen zu diesem Spiel vergessen. Ein Bittermann kam ohne größere Buh's aus, ein Tchipev
wurde mit Applaus ausgewechselt, das wegen Menge und Stimmgewalt zum umfunktionierten Auswärtsspiel herbeigeängstelte Heimspiel
wurde ein echtes Heimspiel, das befürchtet ehrlose 1:4 für Dresden wurde ein 3:0 für Chemnitz.
Wie nur konnte es soweit kommen?
Wie realistisch sind die Prognosen von der Strasse noch?
Von Anfang an: Nicht sinnlos wurde Block 3 gesperrt, denn es waren keine 1900 Dynamos, sondern knapp 2700 im Stadion
(insgesamt 6500). Der Eröffnungszeremonie mit Gewinneraussichten für den Fanmovie der Heimkurve hatten die Gäste außer
kurzzeitiger Stimmgewalt nichts entgegenzusetzen. Auch im Verlauf des Spieles gab es überraschende Momente mit klaren
Anfeuerungsvorteilen für Himmelblau. Eine Steigerung erfuhr das Ganze durch das Kopfballtor von Rolleder zum 1:0. Nach der
Pause setzten die Dynamos auf den Rängen alles auf eine Karte und zündeten zwei Rauchbömbchen. Die Schwarze wurde durch die
drückende Sonne und durch die Windstille zum Bumerang und warf ihre Partikel auf die Auslöser.
Das Spiel plätscherte indes so vor sich hin, die Gelben wollten nicht
(irgendwie hatte man den Eindruck die wären mal fix vorbeigekommen um zu gucken, wie verunsichert die Gastgeber sind, um bei
Bedarf eins oder zwei einzuschenken und dann wieder nach Hause zu fahren, aber als dies nicht möglich schien: Beine hoch oder
stehen gelassen, ein Foul sieht nach Elan aus)
und die Heimkicker wollten auch nicht- in erster Linie nichts zu lassen.
Die nach dem Babelsberg- Spiel zu befürchtende Schlussphase lief total aus dem Ruder. Dynamo schoss zwei lustlose Freistösse
fünf Meter übers Tor und über den Parkplatz, Rolleder, ein Hüne allererster Sahne, machte das zweite Kopfballtor und der
eingewechselte Demir das 3:0. Da waren aber einige der eigentlich Gelb/Schwarzen schon auf dem Weg zum Auto, Bus oder als
Vorhut zum Zug.
Was früher Gelb/Schwarz war, ist heute weinrot. Der Boom an original Dynamo- Wear hat Einzug gehalten. Dabei war die BFC- Farbe
vormals für jeden Dresden- Fan, für jeden Oberligafan die giftigste Farbe. Wer lebensmüde war, stellte sich mit weinroten Nicki
in den Block K des Dynamo- Stadions. Hätte man das in der goldenen 80er EC- Zeit prognostiziert, daß mal Dynamo Dresden- Fans in
weinrot rumalbern würden....
(Für Westler: das ist ungefähr so, wie wenn 1860 München rote Fanhsirts mit Löwenemblem , oder Schalke gelbe Schals mit GE- Logo
rausbringen würde.)
Aber- ich wär' so gern wie der BFC- Fan. Und diese Möchtegerns wurden heute enttäuscht. Als Zeitzeuge war ich nach dem Spiel
mit dem PKW im Zugfahrermob unterwegs (ohne jemanden zu überfahren)- und welch' eine Enttäuschung: von Chemnitzer Seite flogen
keine Pflastersteine, Baustellenbegrenzungen, Flaschen, Dachziegel, Fahrräder, Feuerzeuge, Äste, Fahrräder mit Fahrradständer....
Dabei wurde doch so vor dem Spiel in Chemnitz gewarnt: zwei Knoten in die Schals, damit sie nicht abgenommen werden, Autos
geschickt parken, zusammen auf die eigenen Leute aufpassen....
Aber wie das eben so mit den Prognosen an diesem Tag war.
Anmerkung: Ein völlig anderer Bericht zu diesem Spiel ist im Heft Nr.10 nachzulesen.