Wie will man an so einem Tag ohne Politik auskommen? Man schlürft seinen Kaffee, isst ein Brötchen, vielleicht etwas Joghurt
oder Banane dazu, raucht eine Kippe und lässt die Sonne durch's Fenster scheinen. Nein, ich kann jetzt nicht schon wieder einen
Fußballbericht damit beginnen, den Frühsommer Lobzupreisen.
Die Luft steht, gerade auf der Kombi Scheißhaus-Badewanne-Waschbecken; ausgelöst durch ein zu kleines Fenster, früher Schießscharte
genannt. Man spürt den Schweiß unter dem Basecap und am Rücken hinablaufen, man könnte sich mehrmals abbrausen, belässt es aber
bei unvoreingenommenen Vornahmen. Mutti wendet die Rouladen, welche mit leckerem Speck, saurer Gurke und Zwiebeln gefüllt sind.
Eigentlich hat man mehr Appetit auf ein Eis oder eine kühle Molle.
Nach dem Essen schreitet man zur Tat. Mutti wischt mit einem spuckebefeuchteten Taschentuch dem Sohnemann etwas Rotz aus dem
Schnäuzer, Vater brennt sich eine Kippe an und gemeinsam geht man zum Wahllokal. Es stehen zur Wahl: Germanys next Topmodel,
der Landrat, Kreistag und Bürgermeister. Schon Tage zuvor sind die Laternenmaste verschandelt worden. Wer selbstbewusst war,
hing seinen Kandidaten in Griffhöhe, andere machten ganze Klettertouren um ihre Grimassen am oberen Ende aufzuhängen. Man hatte
gelernt. In Grünhainichen waren die Abgeordneten selbst aus schwindelerregender Höhe abgeflaggt, zerrissen und dem Erdboden
anvertraut worden. Schließlich ist es Zeit für Demokratie und schwache Parteien mit wohltönenden Aussagen ("Für die Heimat",
"Für Land unne Haamit" und lauter so ein Kauderwelsch) braucht kein Mensch, zumal sie sich hinterher als wirklich schwach
herausstellten. Ein Landtagsabgeordneter in Brandenburg war mehrfach vorbestraft, u.a. wegen Kavaliersdelikten wie
Körperverletzung und jawoll Tierquälerei, vollzogen an seinen Wachhunden (ich sach ma Pitbull Germany oder Doberman Deutschland).
Der letzte Schrei vollzog sich in Sachsen, wo doch immer so 'ne Sprüche wie "Todesstrafe für Kinderschänder" als Popularitätsschub
genutzt wurden, um gerade das junge Volk an die Urne zu kriegen. Pech nur, dass bei einem Abgeordneten dieser Fraktion ein
Computer konfisziert wurde, auf dem man (ihr kommt nicht drauf) ausgerechnet Kinderpornos gefunden hatte. (Doppelmoral rulez.)
Eigentlich wollte ich braun wählen, weil es dann wieder jede Menge spaßige Episoden bei Monitor, Kontraste, Spiegel TV und Co.
zu bestaunen gibt und ich was zu schreiben hätte, aber Mutti Roulade, Sohn Schnäuzer und Papa auch irgendwas nur nicht das haben
mich umgestimmt. Ich soll mein Kreuz da und da machen, Hauptsache Borstendorf gehört nicht bald zu Leubsdorf und damit zum
Landkreis Freiberg. Ne, wer will denn das schon. Neue Telefonnummern, die Abspaltung von Grünhainichen, meine Kinder, die ich
mal in eine Fotze injizieren werde, müssten dann nach Dunzelshausen in die Schule. Ne Danke, das wird mir zu unübersichtlich. So
habe ich mich für einen jungen dynamischen und (wichtig!) ledigen Mann entschieden, dessen Postwurf mir imponierte. Sachbearbeiter
in einem Kreditinstitut (wer weiß wofür der noch mal gut ist) isser und aktives Mitglied im Verein Rotation Borstendorf (ich höre
unruhiges Gemurmel im Nachbarort, deshalb füge ich flugs hinzu: Abteilung Schach).
Schach ist gut, die wissen wie man mit den Bauern umgeht und wie man einen König unter Druck setzt, außerdem hat er (Tusch!!):
Visionen für Borstendorf und Flossmühle. Das ist mein Mann. Ich sehe schon die Daten durch eine neuverlegte DSL- Leitung rauschen,
ich poche auf einen Fernseh- und Stromempfang auch bei leichtem Gewitter, kurzum: ich sehe was, was du nicht siehst, denn bald
haben wir für jeden Bürger einen neuen Baum, so seine kämpferischen Aussagen. Naja, um den Politikdiskurs abzurunden, der Favorit
hat einen althergebrachten Mittelscheitel, also die Seiten sind mit Fassonschnitt ausgestattet. Können wir uns auf politisch
korrekt einigen?
Zurück oder erst mal hin zum Fußball. Der Tabellendritte aus Zschopau (drei Punkte hinter uns und dem Aufstiegsplatz, schlechteres
Torabschlussverhältnis) gastierte auf der Höh'.
Es wurde mit fortschreitender Spielzeit immer mehr ein Duell auf Kreisliganiveau, was allein schon die Mitwirkung einiger künftiger
Bezirksklassespieler beim Gast (die Erste von Motor ist in die Bezirksklasse aufgestiegen und sollte nun teilweise die Zweite
in die Kreisliga pushen) voraussetzte. Die erste Halbzeit ging mit 0:0 an niemanden, dennoch wäre es ein brauchbares Ergebnis
gewesen (wegen des Torverhältnisses eben). Die zweiten 45 Minuten begannen vielversprechend, der GBC bekam Ordnung in sein Spiel
und nach 50 Minuten auch die Führung durch Irmscher auf den Präsentierteller. Die Freude währte nur ganze fünf Minuten, dann
erzielte der Gast ein (zugegebenermaßen) schönes Tor. Alles stand auf Messer's Schneide und das temporeiche Geschehen wogte auf
und ab, bis nach 68 Minuten Ruttloff zum 2:1 Führungstreffer abstaubte. Verständlicherweise kannte der Jubel unter den
zahlreichen GBC- Fans (es war auch wieder eine Abordnung um den Trikotsponsor "Subway" aus Chemnitz am Start) keine Grenzen.
Noch aber waren zwanzig Minuten zu überstehen und der Gast löste fast die komplette Abwehr auf, um das unmögliche in mögliche
Bahnen zu lenken. Dennoch war es UNS vorbehalten den Aufstiegssack endgültig zuzuschnüren und Ed Franke erlöste alle mit dem 3:1
in der 88. Minute. Der Rest war Jubel, der Sportplatzsprecher tanzte trotz seines "hohen" Alters auf der Granatenluke und die
Mannschaft feierte sich in den eilig übergestreiften Aufstiegsshirts.
Nun kann im nächsten Jahr in der Kreisliga gekickt werden und wer freut sich nicht auf Kühnhaide und Co.?