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Bevor eine neue Tagebuchseite eingerichtet wird, möchte ich diese (nebst Foto) mit Teil fünf aus dem "Zauberberg" schließen.
Teil 5 (Blicke)
Es war da am querstehenden Tische der Frau Salomon und des gefräßigen Schülers mit der Brille, links von dem der Vettern, nächst
der seitlichen Glastür, ein Kranker, Mannheimer seiner Herkunft nach, wie Hans Castorp gehört hatte, etwa dreißigjährig, mit
gelichtetem Haupthaar, kariösen Zähnen und einer zaghaften Redeweise, - derselbe, der zuweilen während der Abendgeselligkeit
auf dem Piano spielte, und zwar meistens den Hochzeitsmarsch aus dem "Sommernachtstraum". Er sollte sehr fromm sein, wie es
begreiflicherweise nicht selten unter Denen hier oben der Fall sei, so hatte Hans Castorp sagen hören. Allsonntäglich sollte
er den Gottesdienst drunten in "Platz" besuchen und in der Liegekur andächtige Bücher lesen, Bücher mit einem Kelch oder
Palmzweigen auf dem Vorderdeckel. Dieser nun, so bemerkte Hans Castorp eines Tages, hatte seine Blicke ebendort, wo er selbst
sie hatte, - hing mit ihnen an Madame Chauchats schmiegsamer Person, und zwar auf eine Art, die scheu und zudringlich bis zum
Hündischen war. Nachdem Hans Castorp es einmal beobachtet, konnte er nicht umhin, es wieder und wieder festzustellen. Er sah
ihn abends im Spielzimmer inmitten der Gäste stehen, trübe verloren in den Anblick der lieblichen, wenn auch schadhaften
Frau, die drüben im kleinen Salon auf dem Sofa saß und mit der wollhaarigen Tamara (so hieß das humoristische Mädchen), mit
Dr. Blumenkohl und den konkaven und hängeschultrigen Herren ihres Tisches plauderte; sah ihn sich abwenden, sich herumdrücken
und wieder langsam, mit seitlich gedrehten Augäpfeln und kläglich geschürzter Oberlippe den Kopf über die Schulter dorthin
wenden. Er sah ihn sich verfärben und nichtaufblicken, dann aber dennoch aufblicken und gierig schauen, wenn die Glastür
fiel und Frau Chauchat zu ihrem Platze glitt. Und mehrmals sah er, wie der Arme sich nach Tische zwischen Ausgang und Gutem
Russentisch aufstellte, um Frau Chauchat an sich vorübergehen zu lassen und sie, die seiner nicht achtete, aus unmittelbarer
Nähe mit Augen zu verschlingen, die bis zum Grunde mit Traurigkeit angefüllt waren.
Nach dem zuletzt schroffen Fußballbericht, der mir die üblichen
Seitenaufrufe verzehnfachte, nun wieder das "langweilige" Standardprogramm mit feingeistigen Worten aus der Weltliteratur und
Hierzulandefotografien als Trägermasse für Ersteres- oder umgekehrt. Ist auch egal...
Teil 4 (Blicke)
Doch half er sogar noch ein bißchen nach, rechnete und stellte seinen Kopf in den Dienst der Sache, um das Glück zu verbessern.
Da Frau Chauchat gewohnheitsmäßig verspätet zu Tische kam, so legte er es darauf an, ebenfalls zu spät zu kommen, um ihr
unterwegs zu begegnen. Er versäumte sich bei der Toilette, war nicht fertig, wenn Joachim eintrat, um ihn abzuholen, ließ den
Vetter vorangehen und sagte, er käme gleich nach. Beraten von dem Instinkt seines Zustandes, wartete er einen gewissen
Augenblick ab, der ihm der richtige schien, und eilte ins erste Stockwerk hinab, wo er nicht die Treppe benutzte, die die
Fortsetzung derjenigen bildete, die ihn herabgeführt hatte, sondern den Korridor fast bis ans Ende, bis zur anderen Treppe
verfolgte, die einer längst bekannten Zimmertür - es war die von Nr. 7 - nahegelegen war. Auf diesem Wege, den Korridor
entlang, von einer Treppe zur anderen, bot sozusagen jeder Schritt eine Chance, denn jeden Augenblick konnte die bewußte Tür
sich öffnen, - und das tat sie wiederholt: krachend fiel sie hinter Frau Chauchat zu, die für ihre Person lautlos
hervorgetreten war und lautlos zur Treppe glitt … Dann ging sie vor ihm her und stützte das Haar mit der Hand, oder Hans Castorp
ging vor ihr her und fühlte ihren Blick in seinem Rücken, wobei er ein Reißen in den Gliedern sowie ein Ameisenlaufen den
Rücken hinunter verspürte, in dem Wunsche aber, sich vor ihr aufzuspielen, so tat, als wisse er nichts von ihr und führe sein
Einzelleben in kräftiger Unabhängigkeit, - die Hände in die Rocktaschen grub und ganz unnötigerweise die Schultern rollte oder
sich heftig räusperte und sich dabei mit der Faust vor die Brust schlug, - alles, um seine Unbefangenheit zu bekunden.
Zweimal trieb er die Abgefeimtheit noch weiter. Nachdem er am Eßtisch schon Platz genommen, sagte er bestürzt und ärgerlich, indem
er sich mit beiden Händen betastete: "Da, ich habe mein Taschentuch vergessen! Jetzt heißt es, sich noch einmal hinaufbequemen."
Und er ging zurück, damit er und "Clawdia" einander begegneten, was denn doch noch etwas anderes, gefährlicher und von
schärferen Reizen war, als wenn sie vor oder hinter ihm ging. Das erstemal, als er dies Manöver ausgeführt, maß sie ihn zwar
aus einiger Entfernung mit den Augen, und zwar recht rücksichtslos und ohne Verschämtheit, von oben bis unten, wandte
aber, herangekommen, gleichgültig das Gesicht ab und ging so vorüber, so daß das Ergebnis dieses Zusammentreffens nicht hoch
zu veranschlagen war. Beim zweitenmal aber sah sie ihn an, und nicht nur von weitem, - die ganze Zeit sah sie ihn an, während
des ganzen Vorganges, blickte ihm fest und sogar etwas finster in das Gesicht und drehte im Vorübergehen sogar noch den Kopf
nach ihm, - es ging dem armen Hans Castorp durch Mark und Bein. Übrigens sollte man ihn nicht bedauern, da er es nicht anders
gewollt und alles selbst in die Wege geleitet hatte. Aber die Begegnung ergriff ihn gewaltig, sowohl während sie sich
abspielte wie namentlich noch nachträglich; denn erst als alles vorüber war, sah er recht deutlich, wie es gewesen. Noch niemals
hatte er Frau Chauchats Gesicht so nahe, so in allen Einzelheiten klar erkennbar vor sich gehabt: er hatte die kurzen Härchen
unterscheiden können, die sich aus dem Geflecht ihres blonden, ein wenig ins Metallisch-Rötliche spielenden und einfach um
den Kopf geschlungenen Zopfes lösten, und nur ein paar Handbreit Raum war gewesen zwischen seinem Gesicht und dem ihren in
seiner wundersamen, ihm aber von langer Hand her vertrauten Bildung, die ihm zusagte wie nichts in der Welt: einer
Bildung, fremdartig und charaktervoll (denn nur das Fremde scheint uns Charakter zu haben), von nördlicher Exotik und
geheimnisreich, zur Ergründung auffordernd, insofern ihre Merkmale und Verhältnisse nicht leicht zu bestimmen waren. Das
Entscheidende war wohl die Betontheit der hochsitzenden Wangenknochenpartie: sie bedrängte die ungewohnt flach, ungewohnt
weit voneinander liegenden Augen und trieb sie ein wenig ins Schiefe, während sie zugleich die Ursache abgab für das weiche
Konkav der Wangen, das wiederum, von seiner Seite und mittelbar, die leicht aufgeworfene Üppigkeit der Lippen bewirkte. Dann
aber waren da namentlich die Augen selbst gewesen, diese schmal und (so fand Hans Castorp) schlechthin zauberhaft geschnittenen
Kirgisenaugen, deren Farbe das Graublau oder Blaugrau ferner Berge war, und die sich zuweilen, bei einem gewissen
Seitenblick, der nicht zum Sehen diente, auf eine schmelzende Weise völlig ins Schleierig-Nächtige verdunkeln
konnten, - Clawdias Augen, die ihn rücksichtslos und etwas finster aus nächster Nähe betrachtet hatten und nach
Stellung, Farbe, Ausdruck denen Pribislav Hippes so auffallend und erschreckend ähnlich waren!
Teil 3 (Blicke)
Wir erhoben den Vorwurf der Zügellosigkeit gegen ihn, aber wohin seine Wünsche nun immer gehen mochten, die gesellschaftliche
Bekanntschaft mit Frau Chauchat war es nicht, was er anstrebte, und mit den Umständen, die dagegen wirkten, war er im Grunde
einverstanden. Die unbestimmt gespannten Beziehungen, die sein Schauen und Betreiben zwischen ihm und der Russin hergestellt
hatte, waren außergesellschaftlicher Natur, sie verpflichteten zu nichts und durften zu nichts verpflichten. Denn ein
beträchtliches Maß von gesellschaftlicher Ablehnung vertrug sich wohl mit ihnen, auf seiner Seite, und die Tatsache, daß er
den Gedanken an "Clawdia" dem Klopfen seines Herzens unterlegte, genügte bei weitem nicht, den Enkel Hans Lorenz Castorps in
der Überzeugung wankend zu machen, daß er mit dieser Fremden, die ihr Leben getrennt von ihrem Mann und ohne Trauring am
Finger an allen möglichen Kurorten verbrachte, sich mangelhaft hielt, die Tür hinter sich zufallen ließ, Brotkugeln drehte
und zweifellos an den Fingern kaute, - daß er, sagen wir, in Wirklichkeit, das heißt: über jene geheimen Beziehungen
hinaus, nichts mit ihr zu schaffen haben könne, daß tiefe Klüfte ihre Existenz von der seinen trennten, und daß er vor keiner
Kritik, die er anerkannte, mit ihr bestehen würde. Einsichtigerweise war Hans Castorp ganz ohne persönlichen Hochmut; aber
ein Hochmut allgemeiner und weiter hergeleiteter Art stand ihm ja auf der Stirn und um die etwas schläfrig blickenden Augen
geschrieben, und aus ihm entsprang das Überlegenheitsgefühl, dessen er sich beim Anblick von Frau Chauchats Sein und Wesen
nicht entschlagen konnte noch wollte. Es war sonderbar, daß er sich dieses weitläufigen Überlegenheitsgefühls besonders
lebhaft und vielleicht überhaupt zum erstenmal bewußt wurde, als er Frau Chauchat eines Tages Deutsch sprechen hörte, - sie
stand, beide Hände in den Taschen ihres Sweaters, nach Schluß einer Mahlzeit im Saale, und mühte sich, wie Hans Castorp im
Vorübergehen wahrnahm, im Gespräch mit einer anderen Patientin, einer Liegehallengenossin wahrscheinlich, auf übrigens
reizende Art um die deutsche Sprache, Hans Castorps Muttersprache, wie er mit plötzlichem und nie gekanntem Stolze
empfand, - wenn auch nicht ohne gleichzeitige Neigung, diesen Stolz dem Entzücken aufzuopfern, womit ihr anmutiges
Stümpern und Radebrechen ihn erfüllte.
Teil 2 (Blicke)
"Na, Sie unbeteiligter Zuschauer Sie!" sagte Behrens. "Was machen Sie denn, finden wir Gnade vor Ihren prüfenden Blicken?
Ehrt uns, ehrt uns. Ja, unsere Sommersaison, die hats in sich, die ist nicht von schlechten Eltern. Habe es mir auch was
kosten lassen, um sie ein bißchen zu poussieren. Aber schade ist es doch, daß Sie den Winter nicht mitmachen wollen bei
uns,- Sie wollen ja bloß acht Wochen bleiben, hab ich gehört? Ach, drei? Das ist aber eine Stippvisite, das lohnt ja das
Ablegen gar nicht; na, wie Sie meinen. Aber schade ist es doch, daß Sie den Winter nicht mitmachen, denn was so die Hotevoleh
ist," sagte er mit scherzhaft unmöglicher Aussprache, "die internationale Hotevoleh da unten in Platz, die kommt doch nun mal
erst im Winter, und die müßten Sie sehen, da täten Sie was für Ihre Bildung. Zum Kugeln, wenn die Kerls so Sprünge machen auf
ihren Fußbrettern. Und dann die Damen, herrje, die Damen! Bunt wie die Paradiesvögel, sag ich Ihnen, und mächtig galant…
Nun muß ich aber zu meinem Moribundus," sagte er, "auf siebenundzwanzig hier. Finales Stadium, wissen Sie. Durch die Mitte
ab. Fünf Dutzend Fiaskos Oxygen hat er gestern und heute noch ausgekneipt, der Schlemmer. Aber bis Mittag wird er wohl ad
penates gehen. Na, lieber Reuter," sagte er, indem er eintrat, "wie wäre es, wenn wir noch einer den Hals brächen…"
Seine Worte verloren sich hinter der Tür, die er zuzog. Aber einen Augenblick hatte Hans Castorp im Hintergrunde des
Zimmers auf dem Kissen das wächserne Profil eines jungen Mannes mit dünnem Kinnbart gesehen, der langsam seine sehr großen
Augäpfel zur Tür gerollt hatte. Es war der erste Moribundus, den Hans Castorp in seinem Leben zu sehen bekam, denn seine
Eltern sowohl wie der Großvater waren ja damals gleichsam hinter seinem Rücken gestorben. Wie würdevoll der Kopf des jungen
Mannes mit aufwärts geschobenem Kinnbart auf dem Kissen gelegen hatte! Wie bedeutend der Blick seiner übergroßen Augen
gewesen war, als er sie langsam zur Tür gedreht hatte! Hans Castorp, noch ganz vertieft in den flüchtigen Anblick, versuchte
unwillkürlich, ebenso große, bedeutende und langsame Augen wie der Moribundus zu machen, während er weiter zur Treppe
ging, und mit diesen Augen blickte er eine Dame an, die hinter ihm aus einer Tür getreten war und ihn am Treppenkopf
überholte. Er erkannte nicht gleich, daß es Madame Chauchat war. Sie lächelte leise über die Augen, die er machte, stützte
dann mit der Hand die Flechte an ihrem Hinterkopf und ging vor ihm die Treppe hinunter, geräuschlos, schmiegsam und etwas
vorgeschobenen Kopfes.
Nachdem also Frau Chauchat sich zwei- oder dreimal zufällig oder unter magnetischer Einwirkung beim Essen nach jenem Tisch
umgewandt hatte und jedesmal den Augen Hans Castorps begegnet war, blickte sie zum viertenmal mit Vorbedacht hinüber und
begegnete seinen Augen auch diesmal. In einem fünften Fall ertappte sie ihn zwar nicht unmittelbar; er war gerade nicht auf
dem Posten. Doch fühlte er es sofort, daß sie ihn ansah, und blickte ihr so eifrig entgegen, daß sie sich lächelnd abwandte.
Mißtrauen und Entzücken erfüllten ihn angesichts dieses Lächelns. Wenn sie ihn für kindlich hielt, so täuschte sie sich. Sein
Bedürfnis nach Verfeinerung war bedeutend. Bei sechster Gelegenheit, als er ahnte, spürte, die innere Kunde gewann, daß sie
herüberblickte, tat er, als betrachte er mit eindringlichem Mißfallen eine finnige Dame, die an seinen Tisch getreten war, um
mit der Großtante zu plaudern, hielt eisern durch, wohl zwei oder drei Minuten lang, und gab nicht nach, bis er sicher
war, daß die Kirgisenaugen dort drüben von ihm abgelassen hatten,- eine wunderliche Schauspielerei, die Frau Chauchat nicht
nur durchschauen mochte, sondern ausdrücklich durchschauen sollte, damit Hans Castorps große Feinheit und Selbstbeherrschung
sie nachdenklich stimme… Es kam zu folgendem. In einer Eßpause wandte Frau Chauchat sich nachlässig um und musterte den Saal.
Hans Castorp war auf dem Posten gewesen: ihre Blicke trafen sich. Indes sie einander ansehen- die Kranke unbestimmt spähend
und spöttisch, Hans Castorp mit erregter Festigkeit (er biß sogar die Zähne zusammen, während er ihren Augen standhielt) - will
ihr die Serviette entfallen, ist im Begriffe, ihr vom Schoße zu Boden zu gleiten. Nervös zusammenzuckend greift sie danach, aber
auch ihm fährt es in die Glieder, es reißt ihn halbwegs vom Stuhle empor, und blindlings will er über acht Meter Raum hinweg
und um einen zwischenstehenden Tisch herum ihr zu Hilfe stürzen, als würde es eine Katastrophe bedeuten, wenn die Serviette
den Boden erreichte… Knapp über dem Estrich wird sie ihrer noch habhaft. Aber aus ihrer gebückten Haltung, überquer zu Boden
geneigt, die Serviette am Zipfel und mit verfinsterter Miene, offenbar ärgerlich über die unvernünftige kleine Panik, der sie
unterlegen und an der sie ihm, wie es scheint, die Schuld gibt, - blickt sie noch einmal nach ihm zurück, bemerkt seine
Sprungstellung, seine emporgerissenen Brauen und wendet sich lächelnd ab.
Nun beginnen wir also mit einem Abstecher in Thomas Manns tausendseitiges Büchlein "Der Zauberberg". Es wäre zuviel der Mühe
hier die ganzen guten Sätze abzubilden, also habe ich mich entschlossen des Lesers Aufmerksamkeit in zwei kleinen
Kategoriebahnen ("Leben & Tod" und "Blicke") zu lenken. Möge es gelingen und bestenfalls für Spaß am Worte sorgen. Wenn
nicht, dann eben möglicherweise beim Betrachten der selbst geschossenen Fotos.
Teil 1 (Leben und Tod)
…Was war also das Leben? Es war Wärme, das Wärmeprodukt formerhaltender Bestandlosigkeit, ein Fieber der Materie, von welchem
der Prozeß unaufhörlicher Zersetzung und Wiederherstellung unhaltbar verwickelt, unhaltbar kunstreich aufgebauter
Eiweißmolekel begleitet war. Es war das Sein des eigentlich Nicht-sein-Könnenden, des nur in diesem verschränkten und
fiebrigen Prozeß von Zerfall und Erneuerung mit süß-schmerzlich-genauer Not auf dem Punkte des Seins Balancierenden. Es war
nicht materiell, und es war nicht Geist. Es war etwas zwischen beidem, ein Phänomen, getragen von Materie, gleich dem
Regenbogen auf dem Wasserfall und gleich der Flamme. Aber wiewohl nicht materiell, war es sinnlich bis zur Lust und zum
Ekel, die Schamlosigkeit der selbstempfindlich-reizbar gewordenen Materie, die unzüchtige Form des Seins. Es war ein
heimlich-fühlsames Sichregen in der keuschen Kälte des Alls, eine wollüstig-verstohlene Unsauberkeit von Nährsaugung und
Ausscheidung, ein exkretorischer Atemhauch von Kohlensäure und üblen Stoffen verborgener Herkunft und Beschaffenheit. Es war
das durch Überausgleich seiner Unbeständigkeit ermöglichte und in eingeborene Bildungsgesetze gebannte Wuchern, Sichentfalten
und Gestaltbilden von etwas Gedunsenem aus Wasser, Eiweiß, Salz und Fetten, welches man Fleisch nannte, und das zur Form, zum
hohen Bilde, zur Schönheit wurde, dabei jedoch der Inbegriff der Sinnlichkeit und der Begierde war. Denn diese Form und
Schönheit war nicht geistgetragen, wie in den Werken der Dichtung und Musik, auch nicht getragen von einem neutralen und
geistverzehrten, den Geist auf eine unschuldige Art versinnlichenden Stoff, wie die Form und Schönheit der Bildwerke. Vielmehr
war sie getragen und ausgebildet von der auf unbekannte Art zur Wollust erwachten Substanz, der organischen, verwesend-wesenden
Materie selbst, dem riechenden Fleische…
…Siehst du nicht ganz gern einen Sarg? Ich sehe ganz gern mal einen. Ich finde, ein Sarg ist ein geradezu schönes Möbel, schon
wenn er leer ist, aber wenn jemand darin liegt, dann ist es direkt feierlich in meinen Augen. Begräbnisse haben so etwas
Erbauliches,- ich habe schon manchmal gedacht, man sollte, statt in die Kirche, zu einem Begräbnis gehen, wenn man sich ein
bißchen erbauen will. Die Leute haben gutes schwarzes Zeug an und nehmen die Hüte ab und sehen auf den Sarg und halten sich
ernst und andächtig, und niemand darf faule Witze machen, wie sonst im Leben. Das habe ich sehr gern, wenn sie endlich mal
ein bißchen andächtig sind. Manchmal habe ich mich schon gefragt, ob ich nicht Pastor hätte werden sollen,- in gewisser Weise
hätte das, glaube ich, nicht schlecht für mich gepasst…
…Jedenfalls liege ich hier schon seit gestern und überlege mir, wie mir doch eigentlich immer zumute war und wie ich mich zu
dem Ganzen verhielt, zum Leben, weißt du, und seinen Anforderungen. Ein gewisser Ernst und eine gewisse Abneigung gegen
robustes und lautes Wesen lag immer in meiner Natur, - wir sprachen noch neulich davon, und daß ich manchmal fast Lust gehabt
hätte, geistlich zu werden, aus Interesse für traurige und erbauliche Dinge, - so ein schwarzes Tuch, weißt du, mit einem
silbernen Kreuz darauf oder R. I. P. … Requiescat in pace … das ist eigentlich das schönste Wort und mir viel sympathischer
als ›Hoch soll er leben‹, was doch mehr ein Radau ist…
"Ha! Sköne Oke - Sköne Oke".
Hart und wirr gesprochene Worte mit dramatischem Hintergrund in Richtung Coppola/Coppelius, die in ein fatales Ende münden,
welches ich aber hiermit nicht näher besprechen will.
Vielmehr geht es mir um den Wohlklang des Namens Coppola/Coppelius.
Frauen lieben schöne Namen und gleich wie schlecht, alt und unattraktiv der Mann dahinter auch sein mag- sie würden wegen der
Namensbeigabe diesen vom Fleck weg heiraten.
Hochgradig spannend sind außerdem zusätzliche Anhängsel, wie "zu" (Alexander zu Schaumburg- Lippe) oder auch "von"
(Ferfried Prinz von Hohenzollern), die Adliges vermuten lassen.
Ersatzweise werden jedoch auch ausländische Zwischenkürzel akzeptiert.
Erschreckt und verunsichert wie Nathanael in Hoffmanns "Der Sandmann" stelle ich gerade fest, dass ich dies fast nur mit
Fußballernamen in belegen kann.
Di Matteo, di Stefano, da Costa, die van de Kerkhof- Brüder (Rene und Willi), die de Boer- Brüder (Frank und Ronald), van
der Vaart…ich glaube das reicht und Letzterer deckt zugleich die ganze Bühnen- und Rampenlichtsparte ab.
Als Romantiker, dem der Gebrauch von Künstlernamen tieffremd bis fast abstoßend erscheint, lobe ich mir die damalige
Damenwelt um Frau Mann, die sich Herrn (Thomas) Mann TROTZ seines Namens annahm und bin mir dabei ziemlich sicher, dass sie
dies auch getan hätte, wenn er vornämlich mit dem Ausruf "Herrmann" von seiner Mutter zur Ordnung gerufen worden wäre.
Was ich mit dem Kauderwelsch sagen will?
Dass ich derzeit gerade keine Kuckucksuhr entwerfe, aus der zu jeder vollen Stunde eine Kuckuckin namens Olimpia
herauseilt, um ein "Ach! Ach!" in die Stube zu hauchen, sondern mich vielmehr mit einem Klassiker der Weltliteratur
vergnüge, von dem hier noch zu reden sein wird.
Einer der wohl außergewöhnlichsten Romane, der mir in den letzten Monaten in den Händen lag, stammt aus der Feder einer
Französin.
Außergewöhnlich, weil Erzählperson und Zeitform laufend wechselt und weil es der Autorin Julia Deck gelingt, Nebensätze wie
bunte Perlen auf eine Kette aufzufädeln, die dazu noch hochgradig amüsant sind. Was mir aber bei den unzähligen Besprechungen
zu "Viviane Elisabeth Fauville" (so der Buchtitel) in Internet und Radio nie zu Augen und Ohren kam, ist eine Analyse, weshalb
sie die Erzählperson als dritte Person Plural sprechen lässt.
Selbstredend wird jeder Leser das anders empfinden, aber meine Vermutung geht dahin, dass ich gezwungen werden sollte, durch
ihre Augen zu sehen und diese Handlung so real zu erleben wie nur möglich. Ein avantgardistischer Kunstgriff der definitiv
gelungen ist und das Buch zu dem macht, was es ist: ein Buch, das man getrost zweimal lesen kann.
"Augen"blicklich noch ein themenbezogenes Beispiel:
"…An der Kasse stehen bunte Mehrzweck- Plastikwannen, und dazwischen ist ein breites Spektrum von Küchenutensilien,
Toilettenartikeln, Kinderspielzeug und Mütterkrimskrams ausgebreitet- Näh- Etuis, Schwämme, Staubwedel, Besen. Sie greifen
nach einer Meerjungfrau, die in Ihre Richtung schaut. Sie drehen und wenden sie zwischen Daumen und Zeigefinger und denken
wie jedermann, Wie kann man so was kaufen, wer kann das hübsch finden, wo es so hässlich ist. Sie stellen die Meerjungfrau
wieder zurück.
Von ihrem Regal aus hat sie weiter den Blick auf Sie gerichtet. Einen leicht verschwommenen Blick, denn ihre Augen sind etwas
hastig von einem Arbeiter in Südostasien angebracht worden, der nicht besonders auf die Präzision noch auf die Intensität des
Blickes geachtet hat, er hat sich damit zufrieden gegeben, Augen einzufügen. Doch nun richten sich diese Augen auf Sie. Sie
nehmen die Meerjungfrau wieder in die Hand. Wie sie da auf ihrem Felsen posiert, erinnert sie Sie schwach an jemanden. An
einen Denker auf seinem Sockel. Einen Papagei auf seiner Stange. Einen Psychoanalytiker in seinem Sessel…"
...wünscht mit dieser kleinen Fotografie auch dieses Jahr Autor Rocco Reichelt aka Gorgonski aka literatur-chemnitz.de seinen
Lesern, Gönnern und potentiellen Sponsoren.
Natürlich rauscht auch am Seitenbetreiber die Aktualität in Sachen Politik nicht vorbei.
Gleich gar nicht, wenn es vor der Fast- Haustür passiert.
Am 14.03.2015 fand in Flöha eine Demo unter dem verschworbelten Titel "Flöha sagt nein zum Heim statt".
Der P(C)egida- Ableger spülte auch unschönes Treibholz heran, welches sich nach etlichen Bieren spätabends am Heim und an
einem vor dem Heim geparkten Auto ausließ.
Erfreulicher wie sich am Folgetag einige Menschen zum Kaffeetrinken am Heim einfanden und bei Gitarrenklängen und Tanz ein
kleines Fest mit den Bewohnern aus dem Boden gestampft wurde.
Die Fotos dazu:
Auch dieses Jahr wird der Pagebetreiber wieder Buchseiten umblättern und eigene Schriftstücke verfassen.
Erstes Lesebuch 2015 war ein Werk der Weltliteratur: "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar Wilde.
Der Poet meinte irgendwann selbst dazu: "Dieses mein seltsames farbiges Buch enthält vieles von mir. Basil Hallward ist
das, was ich zu sein glaube; Lord Henry das, wofür die Welt mich hält; Dorian das, was ich gern sein würde- in anderen Zeiten
vielleicht."
Einige Weisheiten dieses Lord Henry beruhigen mich (vielleicht).
Auf jeden Fall sind sie köstlich.
Auch und gerade heute…
Lord Henry zu Dorian Gray:
"Basil, mein lieber Junge, legt allen Charme, den er besitzt, in sein Werk. Die Folge davon ist, dass ihm für das Leben
nichts weiter übrig bleibt als seine Vorurteile, seine Prinzipien und sein gesunder Menschenverstand. Die einzigen Künstler
aus meinem Bekanntenkreis, die als Menschen reizend sind, sind miserable Künstler. Gute Künstler existieren nur in dem, was
sie schaffen, und folglich sind sie völlig uninteressant in dem, was sie sind.
Ein großer Dichter, ein wirklich großer Dichter, ist das unpoetischste Wesen überhaupt. Mittelmäßige Dichter hingegen sind
einfach faszinierend. Je schlechter ihre Reime sind, um so malerischer sehen sie aus. Schon die Tatsache, dass ein Mann einen
Band mit zweitklassigen Sonetten veröffentlicht hat, macht ihn ganz und gar unwiderstehlich. Er lebt die Poesie, die er nicht
schreiben kann. Die anderen schreiben die Dichtung, die sie sich nicht zu verwirklichen wagen."
"Gute Vorsätze sind sinnlose Versuche wissenschaftliche Gesetze umzustoßen. Ihr Anlaß ist pure Eitelkeit. Ihr Resultat ist
einfach gleich Null. Sie verschaffen uns hin und wieder einige jener überschwänglichen sterilen Gefühlsregungen, die für
Schwächlinge einen gewissen Reiz haben. Das ist das einzige, was für sie spricht. Sie sind nichts weiter als Schecks, die man
auf eine Bank ausstellt, bei der man kein Konto hat."
Dorian Gray liest ein Buch.
…Es war ein Roman ohne Handlung und mit nur einer Person, im Grunde nichts anderes als eine psychologische Studie über einen
gewissen jungen Pariser, der sein Leben mit dem Versuch zubrachte, im neunzehnten Jahrhundert alle die Leidenschaften und
Denkweisen zu verwirklichen, die allen Jahrhunderten außer seinem eigenen zugehörten, und gewissermaßen in sich selber die
verschiedenen Stimmungen zu vereinen, die der Weltgeist jeweils durchgemacht hatte, wobei er jene Verzichte, welche die
Menschen törichterweise Tugend genannt haben, um ihrer bloßen Künstlichkeit willen ebenso liebte wie jene natürlichen
Rebellionen, die gescheite Menschen noch immer Sünde nennen. Geschrieben war das Buch in jenem seltsam schmuckvollen,
lebendigen und zugleich dunklen Stil voller Argot und Archaismus, voller Fachausdrücke und kunstvoller Umschreibungen, der
das Werk einiger der besten Künstler der französischen Symbolistenschule auszeichnet. Es enthielt Metaphern, so monströs
wie Orchideen und ebenso raffiniert in den Farben. Das Leben der Sinne war mit den Begriffen der mystischen Philosophie
umschrieben. Zuweilen vermochte man kaum zu sagen, ob man die geistigen Ekstasen eines mittelalterlichen Heiligen oder die
morbiden Bekenntnisse eines modernen Sünders las. Es war ein Buch, das Gift ausströmte. Der schwere Duft des Weihrauchs
schien seinen Seiten anzuhaften und das Gehirn zu verwirren. Die bloße Kadenz der Sätze, die geheime Monotonie ihrer Musik,
voll von komplizierten Refrains und kunstvoll wiederholten Bewegungen, erzeugten im Geist des jungen Mannes, während er von
einem Kapitel zum anderen überging, eine Art Träumerei, eine Traumkrankheit, in der ihm der versinkende Tag und die
schleichenden Schatten nicht bewusst wurden.
Wolkenlos und durchbohrt nur von einem einzigen einsamen Stern, schimmerte ein kupfergrüner Himmel durch die Fenster. In
seinem schwindenden Licht las er weiter, bis er nicht mehr lesen konnte…
Lord Henry zu Lady Narborough:
"Sie werden nie wieder heiraten, Lady Narborough. Sie waren viel zu glücklich. Wenn eine Frau wieder heiratet, so deshalb,
weil sie ihren ersten Mann gehasst hat. Wenn ein Mann wieder heiratet, so deshalb, weil er seine erste Frau angebetet hat.
Die Frauen versuchen ihr Glück; die Männer setzen es aufs Spiel."
Lord Henry zur Herzogin von Monmouth:
"…Die Romantik lebt von der Wiederholung, und Wiederholung verwandelt ein Begehren in Kunst. Im Übrigen ist es jedes Mal, wenn
man liebt, das einzige Mal, dass man je geliebt hat. Die Unterschiedlichkeit des Objekts ändert nichts an der Einzigartigkeit
der Leidenschaft. Sie steigert sie nur. Wir können im Leben bestenfalls nur ein großes Erlebnis haben, und das Geheimnis des
Lebens besteht darin, dieses Erlebnis so oft wie möglich zu reproduzieren."
Lord Henry zu Dorian Gray:
"Mein lieber Junge, auf dem Land kann jeder ein guter Mensch sein. Dort gibt es keine Versuchungen. Das ist der Grund, weshalb
die Leute, die außerhalb der Stadt leben, so ganz und gar unzivilisiert sind. Zivilisation ist keinesfalls leicht zu erlangen.
Es gibt nur zwei Wege, die zu ihr führen. Der erste besteht darin, dass man kultiviert, der andere darin, dass man verdorben
ist. Die Landbevölkerung hat weder zum einen noch zum anderen Gelegenheit, also kümmert sie dahin."
"…Trinken wir unseren Kaffee doch im Musikzimmer, Dorian. Sie müssen mir Chopin vorspielen. Der Mann, mit dem meine Frau
durchgegangen ist, spielte ausgezeichnet Chopin. Die arme Victoria! Ich hatte sie gern. Das Haus ist ohne sie recht einsam.
Natürlich, das Eheleben ist nur eine Gewohnheit, eine schlechte Gewohnheit. Aber immerhin bedauert man selbst das
Abhandenkommen seiner schlechtesten Gewohnheiten. Vielleicht bedauert man sie am meisten. Sie sind ein so wesentlicher
Bestandteil unserer Persönlichkeit."
"Oh! Alles wird zu einem Vergnügen, wenn man es zu oft tut. Das ist eines der wichtigsten Geheimnisse des Lebens. Ich meine
jedoch, dass Mord in jedem Fall ein Fehler ist. Man sollte nie etwas tun, worüber man nach dem Essen nicht reden kann. Aber
lassen wir den armen Basil. Ich würde gern glauben, dass er ein so wahrhaft romantisches Ende gefunden hat, wie sie es
andeuten; aber ich kann es nicht. Ich vermute eher, er ist aus einem Omnibus in die Seine gefallen, und der Schaffner hat
den Skandal vertuscht. Ja: ich könnte mir vorstellen, dass sein Ende so ausgesehen hat. Ich sehe ihn vor mir, wie er jetzt
auf dem Rücken in diesen trüben grünen Fluten liegt, und die schweren Kähne gleiten über ihn dahin, und die langen
Wasserpflanzen verfangen sich in seinem Haar. Wissen Sie, ich glaube nicht, dass er noch viel Großes geleistet hätte. In den
letzten zehn Jahren ist es mit seiner Malerei sehr abwärts gegangen."
Eigentlich wollte ich zum Jahresklang noch ein bisschen in meinen zweitausendvierzehner Aufzeichnungen retrospektieren, fand
aber dann dafür die Spur eines älteren kessen Satzes, der 2013 aus meinem Füllfederhalter träufelte und in der
Geschichte "Seemannsgarn" auftauchte.
Also in Bückware#5, das mit dem sattelzugfahrenden Sexpsielzeugvertreter.
Jedenfalls geht der so:
"…Als multipler Simultanempiriker denkt Wolodja jetzt natürlich an seinen windschiefen Holzschuppen (Wer soll ihn
aufrichten?), an seine Frau (Wer soll sie zukünftig unterdrücken?), an seine Kinder (Wer soll sie später zum Blindekuhspielen
an den Bahndamm schicken?), an seine Tiere (Wer soll sie melken, rupfen und essen?), aber auch zuletzt an sich (Wer soll
zukünftig die übervölkerten Goldfischgläser in die Toilette kippen oder den Inhalt mit Klorix in Ekstase versetzen?)…"
Hiermit wünsche ich allen Wolodjas und Warwaras ein gesundes, beschwingtes und glückliches Jahr 2015.
Literatur Chemnitz wünscht seinen Lesern und Besuchern dieser Homepage fröhliche Weihnachten.
Wenn interregionale Rockstars ihre Fernurlaubreisen zum Schmökern lokaler Suspektliteratur nutzen, furcht sich meine Stirn freudig.
"Hardcore for life aka ab in den Moshpit" trifft "Literatur für die Ewigkeit".
Da der Novemberanfang uns mit Sonne verwöhnte, sehe ich mich gezwungen ein Julilesebild nachzuschieben.
Sollte es im Januar auch Sonnenstrahlen schneien, werde ich in dem mir die heute getätigten Buchbilder als Zeigefotos
auferlegen.
Nun habe ich komplett den Republikgeburtstag vergessen und sogar der Tag der Deutschen Einheit ist auf der Strecke geblieben.
Vielleicht streikte ich genauso wie eine Schreibmaschine unter den Fingern eines beschwipsten Bürokraten, der sich um volltrunkene
Kollegen sorgte.
Für Schwarmtrunkenheit sorgen indes häufig Flaggenfeiertage wie Fußballkräftemessen im Länderturnierbetrieb, derweil man
beim täglichen Betriebsvergnügen nur auf Fassbrause und Selterswasser zurückgreifen darf.
Damals wie heute gilt: Arbeitsschutz geht alle an!
Wenn mich heutzutage noch mal Freizeit einlädt mir angeleinte Hunde in Metropolen zu Gemüte zu führen, denke ich immer darüber
nach, was ihnen so zwischen Futter, Gassi und Tiefschlaf auf den Krallen brennt.
Diese Woche war das Gebell eindeutig zu identifizieren.
Sie sorgen sich um den Style von WM- Held Mario Götze.
Im Schottland- Spiel erweckte es den Eindruck, dass er zum Zwilling von Chucky- die Mörderpuppe mutiert sei. Alternativ
auch der Klon vom Klon eines durchgestylten Aliens mit Betonperücke. Auf dem Spielberichtsbogen soll er aber ohne Ziffern
und Sonderzeichen im Vor- und Zunamen aufgeführt gewesen sein.
Es ist ein alter Hut, dass Hunde nicht gern zum Friseur gehen und sich stattdessen lieber gegenseitig von
Hundeanleinstation zu Hundeanleinstation Texte aus flotten Büchern über neuste Felltrends und
Fleischzubereitungsmöglichkeiten vorlesen.
Nur die Diäten, nein, davon wollen sie nichts wissen…
Textbeispiele für Hunde zum Vorlesen vor weitläufigen Einkaufszentren mit mittellanger bis sehr langer Wartegarantie:
Aus "Waffen für El Salvador"
Kraß ist's, wenn was futsch ist. Wenn einer spät nach Hause kommt und seine Tasche auf den Platz stellen möchte, wo er seine
Tasche immer hinstellt, aber erkennen muss, dass dies nicht möglich ist, weil die Tasche nämlich weg ist, dann ist das wie der
Schlag mit einer Bärentatze. Man schließt seine Tür auf, und es steht, im übertragenen Sinne natürlich, ein Braunbär in der
Wohnung, der brummt: "Wo ist denn deine Tasche?" Plötzlich kriegt man "fliegende Hitze", wie Frauen in den Wechseljahren, und
man tastet seinen Leib ab, ob nicht an irgendeinem Körperteil die Tasche doch dranhängt. Aber sie ist weg, woanders- wo? In
der Kneipe, im Taxi? Und was war alles drin in der Tasche? Es ist schlimm. Verlustforscher aus 16 Ländern vergleichen den
Verlust der Tasche mit dem Verlust der Haare, der Ehre, der Uhr und der Heimat, und zwar von all dem gleichzeitig. Andere
Forscher vergleichen den Verlust der Tasche mit dem Aussterben des Uhus, aber diese Wissenschaftler gelten eher als ein
bisschen unseriös in der Verlustforscherszene. Haare wachsen nach, Uhus kann man im Zoo bestaunen, und die Ehre kann man
restaurieren, indem man unentgeltlich Taubenkot von den Balkonen manisch-depressiver Frauen kratzt…
Aus "Ich lasse meine Ohren nicht von einem Kunstdirektor abfackeln"
…Ich denke lieber an türkische Friseure, denn die sind preiswert und serviceorientiert. Ich war bislang immer der einzige
deutsche Kunde im Salon. Der Friseur selbst macht davon kein Aufhebens, aber wenn ein halbes Dutzend rauchender türkischer
Männer schweigend um mich herumsitzt und mich betrachtet, habe ich schon manchmal das Gefühl, dass in ihrem Blick ein leichtes
Befremden liegt- "Wieso geht DER zu einem türkischen Friseur?" Erstens, weil er seine Kundschaft nicht mit "Hallöchen" begrüßt.
Zweitens und hauptsächlich wegen des Service: Es werden die Augenbrauen gekämmt und geschnitten, es wird einem (gelegentlich)
der Nacken massiert, und sollte einem was aus der Nase rauswachsen, wird das diskret entfernt. Das Schönste aber ist das
Abfackeln der Ohrbehaarung.
Der Friseur zündet eine Lunte an und haut einem das brennende Ding gegen den Ohrknorpel. Manche nehmen auch ein
Einwegfeuerzeug, stellen es auf größte Flamme und schleudern dem Kunden die Flamme mehrmals kurz gegen das Ohr.
Auf die Frage, ob das denn angenehm sei, würde ich sagen: "Na ja- ein kleines bisschen weh tut es manchmal schon." Darüber
hinaus fragen türkische Friseure nicht, wie ich die Haare haben möchte. Das denken die sich einfach und verpassen mir in
Windeseile einen prima Haarschnitt. Das können die nämlich. Oder hat etwa schon mal jemand einen türkischen Mann mit einem
schlechten Haarschnitt gesehen?...
Leider gibt es in meinem Wohnumfeld keine türkischen Friseure, sondern nur um Hochglanz bemühte Deutsche mit vier
Personalkategorien. Man kann sich einem "Jung-Stylisten", einem "Stylisten", einem Art Stylisten" oder einem "Art Director"
anvertrauen und entsprechend immer mehr zahlen…
Aus "Bomben gegen Bananen im Mund? Niemals!"
…Ich halte die Arbeitsteilung für eine menschheitsgeschichtliche Errungenschaft, die ich nicht missen möchte. Eine Kuh
zu zerteilen ist ja auch kompliziert, und ein Fleischer braucht eine dreijährige Ausbildung, bis er weiß, wo genau bei einer
Kuh vorne und hinten ist und aus was für Körperteilen man Teewurst und aus welchen Partywürstchen macht.
Daher finde ich es richtig, dass nicht jeder, der einmal Kuhkörperteile essen möchte, in seiner Wohnung mit irgendwelchen
spitzen Gegenständen auf einem Rind herumhackt in der Hoffnung, dass glückliche Fügung das Tier in eine Partywürstchengirlande
verwandelt.
Es lebe das Spezialistentum! Nieder mit dem Do-it-yourself-Wahn! Und vor allen Dingen: Es lebe die Kuh! Und zwar möglichst
lange und unzerkleinert! Aller Trost der Welt liegt in ihren Augen. Es müsste in jeder Stadt Parkanlagen mit Kühen darin geben.
Die nervöse Minderheit könnte sich dann ihre Entspannungsmusik- CDs und Delphin- Videos an den Hut stecken.
Stattdessen gibt es Ansätze von Bestrebungen, die Kühe von unseren Weiden zu verjagen und durch Strauße zu ersetzen. Die
Anti- Cholesterin- Szene hat da die Fäden in der Hand. Schon hört man von ersten Zuchterfolgen in Deutschland, und die
Wienerwald- Kette hatte neulich Straußensteak- Testwochen. Ich esse nicht viel Fleisch, aber das musste ich mal probieren.
Das Fleisch schmeckt nach nichts als uninteressantem, blödem Fleisch, noch nicht mal nach Geflügel. Ich will daher, wenn ich
durch den Schwarzwald spaziere, auch in Zukunft keine Strauße herumrennen sehen; ihre ökologische Funktion besteht
m. E. darin, dass sich Südafrika- Touristen auf sie draufsetzen, um von feixenden Ehepartnern fotografiert zu werden…
(allesamt von Max Goldt aus verschiedenen Druckwerken)
Zu den Top Ten der nervenernährenden Stresskiller gehören Haferflocken und Nüsse erzählte mir kürzlich eine Internetseite.
Neben Bananen und Fischen, die ich bedeutend spannender finde, denn wenn ich über Haferflocken und Nüsse ins Grübeln
komme, bekomme ich häufig einen trockenen Mund.
Ansonsten stellt sich bei mir die Frage nach Nervennahrung eher selten, auch wenn ich hin und wieder von Buchstabensuppe auf
diätischen Eintopf ohne Punkte und Kommas umstelle.
Neulich verordnete ich mir diesen neben Stefano Bennis Roman "Der Zeitenspringer" und die Synthese traf mich wie der Löffel
die Schale eines gekochten Eies.
Mittlerweile habe ich den Boden des Tellers abgeschabt und zeige vor dem Verzehr des kondomisierten Süßkompottes einen kleinen Auszug.
Wer mehr über den Helden Saltatempo und dessen Uhrbiwerk wissen will, sollte das Buch kaufen.
"…Verdolin war niedergeschlagen, aber ich gab nicht auf. Das Uhrbiwerk sagte mir, dass ein paar Jahre später ein weiterer
magischer Brief ankommen würde.
Alles konnte geschehen, alles hatte sich innerhalb einer Woche verändert. Ich dachte, ich stünde nur einen Schritt vom Abgrund
entfernt, ich hätte einen Sprung gemacht und mich auf einer unsichtbaren Brücke wiedergefunden, die hinüberführte, in ein Land
mühevoller und geheimer Freuden. Ich beschloss, dass ich wieder in die Stadt zurückkehren und mit Verdolin an einer langen
Comic- Geschichte arbeiten würde, während ich gleichzeitig kleine Geschichten schreiben könnte und vielleicht sogar einen
Romanerstling von sechshundert Seiten über den Kampf zwischen den Gottheiten des Guten gegen die Gottheiten des Bösen in
einem Bergdorf zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts auf dem Hintergrund einer Liebesgeschichte zwischen zwei jungen
Menschen die von einem örtlichen Herrn mit Macht behindert werden der in einen blutigen Krieg verwickelt ist an dem auch
ein fremdes Land teilnimmt wo ein einsamer Held in einem Schloss am Ufer eines nebligen Sees lebt und eine Fee ihm eine
sonderbare Prophezeiung macht der der Held folgt und sich entschließt aufzubrechen um den Herrn mit Macht zu töten welcher
inzwischen einen Blick auf das junge Mädchen geworfen hat und zwei Prahlhänse ausschickt das junge Mädchen zu rauben als aus
dem Wald ein Heer von Gnomen hervorbricht und das Mädchen fragt seid ihr gut oder böse und hier endet das erste Kapitel…"
So und zur Beruhigung meiner Leser: Interpunktionstasten sind inzwischen wieder aufgeklaubt und montiert!
Weil ich nicht weiß unter welchem Holzkreuznamen ich ein, im Wald tot aufgefundenes, Gürteltier beerdigen soll, habe ich mich
als Onomastiker (Begriff vorher eigenhändig gegoogelt und nachträglich angepasst) betätigt und stieß auf folgende
Auswahlkolonnen, die unserer regionalen Historie zur Ehre gereichen.
Da wäre unser letzter König:
Friedrich August III., gebürtig Prinz Friedrich August Johann Ludwig Karl Gustav Gregor Philipp von
Sachsen (* 25. Mai 1865 in Dresden; † 18. Februar 1932 auf Schloss Sibyllenort, Landkreis Oels)
Da wäre die Ehefrau unseres letzten Königs:
Luise Antonia Maria Theresia Josepha Johanna Leopoldine Karolina Ferdinande Alice Ernestina von
Österreich-Toskana (* 2. September 1870 in Salzburg; † 23. März 1947 in Ixelles/Elsene bei Brüssel)
Nicht zu unterschlagen auch die Mutter des Königs:
Maria Anna Fernanda Leopoldina Micaela Rafaela Gabriela Carlota Antónia Júlia Vitória Praxedes Francisca de
Assis Gonzaga (* 21. Juli 1843 in Lissabon, Portugal; † 5. Februar 1884 in Dresden)- Prinzessin von Braganza und
Sachsen-Coburg und Gotha sowie Infantin von Portugal
Und der Erzeuger unseres letzten Königs:
Friedrich August Georg Ludwig Wilhelm Maximilian Karl Maria Nepomuk Baptist Xaver Cyriacus Romanus von
Sachsen (* 8. August 1832 in Dresden; † 15. Oktober 1904 in Pillnitz)
Aus diesem Namenssalat zog ich folgenden Realitätsbezugrückschluss:
Da die Mutter UNSERES letzten Sachsen- Königs Portugiesin war, können fußballfremdgehende oder anderweitig orientierte
Sachsen ungestraft dem DFB-Team mit einem Klassiker August des Dritten kommen: "Nu da machd doch eiern Drägg alleene."
Was nichts anderes bedeutet, als dass uns ein Sieg der Portugiesen sympathisch sein darf!
(Gänzlich verboten ist es auch in Zukunft der ÖFB- Elf die Daumen zu drücken. Das hat nebenher auch mit des letzten Königs läufiger Frau zu tun.)
Hier nun eine andere Beerdigung.
Die seiner Majestät.
Bevor mein aktuelles Heftprojekt verrissen oder beschimpft wird, weil es zu sexistisch, faschistisch oder bösartisch
sei, springe ich aus der Opferrolle und mache mir nach langer Zeit wieder mal die Mühe, um in kleinem Stil den
befreundeten "Übersteiger" aus St. Pauli und dessen 114. Ausgabe zu sezieren.
In der Sektion Döntjes, Abteilung "Die spinnen, die Briten II", stieß ich auf Gesangskulturen aus England.
"Auch in Sachen Fangesänge blickt man ab und an noch neidisch in Sachen Kreativität auf die Insel: Im Old Trafford amüsierten
sich die Fans der Red Devils wenig nett über die etwas zu offensiven Schneidezähne von Luis Suarez und sangen
"Your teeth are offside!". Und als der Lokalrivale von Man City gerade mit seinen Fans den Heimsieg gegen West Ham feiern
wollte, sang der Gästeblock zur gleichen Melodie selbstironisch: "You're nothing spezial, we lose every week!""
Unter "Rubin Kazan, Neftechimik Ninschekamsk- Hauptsache Dresden" wurde vermerkt:
"Rubin Kazan ist inzwischen eine Hausnummer im europäischen Fußball, Dynamo Dresden war es mal. Im Trainingslager in der
Türkei wollte man nun am Glanz des Gegners teilhaben und verabredete ein Freundschaftsspiel, wohl wissend das Kazan die
B-Elf schicken würde. Umso größer die Euphorie nach dem 3:0 gegen den Champions League Teilnehmer. Diese wurde nur getoppt
von der Enttäuschung, als sich später herausstellte, dass statt Kazan der Zweitligist Neftechimik Ninschekamsk angetreten
war, weil Kazan vormittags noch ein anderes Testspiel verabredet hatte. Der anschließende 2:0 Erfolg gegen den österreichischen
SV Grödig soll dann allerdings gegen deren Topelf errungen worden sein."
Die Musikalität wird wie immer auf den Tonträger- Seiten erörtert und gipfelt mitunter in schönen Sätzen.
Das Album "Schlachtrufe Stimmungshits" von Schrappmesser lobpreist der Rezensent:
"…Und sie klauen abermals wie die Raben Textfetzen bei Dackelblut, Slime, Hammerhead, Pantera und einigen anderen, aber fuck
ey, das machen die einfach perfekt! Denn der Schrappmesser- Trecker heizt durchgehend, also 20 Minuten lang, mit beiden
Gummistiefeln auf 'm Gaspedal durch 14 Klasse umgesetzte Songs und das bockt echt richtig. Ist hiermit allen Dorfpunkers
ans Herz gelegt. Anspieltipps: "Auf alles reimt sich saufen" und "Vulgar display of Bauer"- ha ha, geile Scheiße!"
Abschließend lobend erwähnen möchte ich, neben Frodos Tagebuch natürlich, das mehrseitige Interview mit St. Paulis
Jugend- Chefscout Marco Feldhusen, der interessante Einblicke in den Umgang mit Talenten gewährt.
Der mit wohlwollenden Worten nachbetrachtete Ausflug über erzgebirgische Weihnachtsmärkte, inklusive Besuch der Spiele
Aue gegen St. Pauli und Jena gegen Neustrelitz blieb nicht ungelesen und nur deswegen unkommentiert, weil ich jetzt
schleunigst die "lecker schmeckenden grienen Klitscher" wenden muss!
Nachdem nun endlich und nach über 13 Monaten Schaffenszeit, inklusive Egobrainstorming, das neue Heft Bückware#6
"1945: Als der Himmel Orgien weinte" auf dem Lesemarkt platziert werden konnte, möchte ich nachträglich verschiedene
Workspacefotos zeigen, die im Rahmen der Zeugung älterer Bückwareausgaben entstanden.
Treffpunkt: 6:00 Uhr beim Pförtner
Arbeitschutzbekleidung nicht vergessen!
Für Verpflegung ist gesorgt!
Wie zu jedem Feiertagsevent wünscht Gorgonski aus dem VEB Autorenkombinat "Rocco Reichelt" mit diesmal sogar zwei Bildchen
das Beste für seine Leser, Sponsoren und Gönner.
Einmal handgescannt, einmal selbst geschossen.
Um nicht mit einem erhobenen Zeigefinger- Artikel über Hoeneß Werbung für meinen Kram zu machen, spanne ich lieber einen volksdeutschen Gaul vor
den Bückware- Karren.
"Die Geschichte der Justine oder die Nachteile der Tugend" von Marquis de Sade:
Aus dem V. Kapitel (Justine lebte schon zwei Jahre in diesem Hause, immer zwischen Kummer und Hoffnung, als der
niederträchtige Bressac, der sich endlich ihrer sicher fühlte, es wagte, sie in seine verruchten Pläne einzuweihen.)
Bressac zu Justine:
…Zwei Verbrechen zeigen sich in diesem Falle deinem wenig philosophisch gebildeten Geist: Die Vernichtung eines Geschöpfes, das
uns gleicht, und ferner eines Geschöpfes, das uns sogar nahesteht. Was das Verbrechen eines Mordes an seinem Nächsten
betrifft, so kannst du beruhigt sein, teures Mädchen: es ist nichts als eine Chimäre; denn den Menschen ist die Macht zu
zerstören nicht gegeben, er kann höchstens die Formen verändern. Nun ist aber jede Form in den Augen der Natur gleich und in
dem ungeheuren Kreislauf, in dem sich diese Veränderungen abspielen, geht nichts verloren. Folglich kann es doch der
Schöpferhand der Natur ganz gleichgiltig sein, ob die Fleischmasse, aus der heute ein Mensch geformt ist, sich morgen in
tausend verschiedene Insekten verwandelt. Wenn man mich überzeugen könnte, daß unser Geschlecht für die Natur von solcher
Bedeutung ist, daß ihre Gesetze durch eine derartige Umgestaltung verletzt werden, dann erst würde ich glauben, daß der Mord
ein Verbrechen ist. So aber sage ich: derjenige, der diese Umgestaltung bewirkt, begeht nicht nur kein Verbrechen, sondern
sogar ein gutes Werk. Denn er zerlegt durch diese, fälschlich Verbrechen genannte Handlung die Individuen in ihre Grundstoffe
und gibt der Natur dadurch seine schöpfende Energie, die ihr derjenige raubt, der in seinem blöden Stumpfsinn keine solche
Umwandlung vorzunehmen wagt. Der Mensch, dieses eitle Geschöpf, ging von der falschen Anschauung aus, er sei das Meisterwerk
der Schöpfung und daher könne ein Mord nur eine verbrecherische Tat sein. Aber seine Eitelkeit ändert nicht die
Naturgesetze, und es gibt kein Wesen, das nicht im Grunde seines Herzens den heftigen Wunsch empfände, von denjenigen befreit
zu werden, die ihm lästig fallen oder deren Tod ihm Vorteile einbringen kann. Und von diesem Wunsch zur Tat, Justine, kann
doch der Schritt nicht so groß sein. Ueberdies mußt du bedenken, teures Mädchen, daß wir nichts empfinden, was nicht der Natur
zur Erreichung ihrer Ziele dient. Benötigt sie neue Wesen, so flößt sie uns Liebe ein. Wird ihr die Zerstörung notwendig, so
pflanzt sie in unsere Herzen Rachedurst, Geiz, Wollust und Ehrgeiz. Aber sie arbeitet immer nur für sich selbst und wir sind
nur die schwachen Werkzeuge ihrer Launen.
Im Weltall ist Alles den Gesetzen der Natur unterworfen. Beachten wir wohl, daß das Leben des Menschen von ihnen ebenso
abhängt, wie das der Tiere. Beide Formen des Lebens sind den allgemeinen Gesetzen des Stoffes und der Bewegung Untertan. Wie
kann man nur sagen, daß der Mensch über das Leben der Tiere verfügen kann, aber über das seines Nächsten kein Recht hat? Wie
kann man solche Sophismen anders rechtfertigen als durch die Eigenliebe und den Stolz. Alle Tiere sind in der Welt auf ihre
eigene Klugheit angewiesen und werden gleicherweise bald Mörder bald Opfer. Sie haben alle gleichmäßig das Recht erhalten, in
die Tätigkeit der Natur einzugreifen und sie üben es aus, so gut es ihnen möglich ist. Wenn man also die richtigen Konsequenzen
zieht, wird es klar, daß jeder Mensch das Recht besitzt, über das Leben seines Nächsten zu verfügen und von einer Macht
Gebrauch zu machen, mit der ihn die Natur ausgestattet hat. Nur die Gesetze dürfen das aus zweierlei Gründen nicht tun.
Erstens, weil sie nicht die Berechtigung dazu im Egoismus haben, der die mächtigste und rechtlichste Entschuldigung ist, und
zweitens, weil sie immer kalten Blutes und mit freiem Willen handeln, während der Mörder immer von seinen Leidenschaften
hingerissen wird und immer das blinde Werkzeug einer Natur ist, die ihn gegen seinen Willen zwingen kann. Daraus geht hervor, daß
die Hinrichtung eines Verurteilten einem philosophisch geschulten Geist als ein Verbrechen erscheint, während der Dummkopf
Ehrfurcht vor dem Gesetz empfindet. Bei einem Mord aus Leidenschaft aber sieht er nur Gerechtigkeit walten, wo der Stumpfsinn
nur Verbrechen und Niederträchtigkeit bemerken kann.
O, Justine, überzeuge dich doch, daß das erhabene Leben des Menschen für die Natur von keiner größeren Bedeutung ist, als das
einer Auster. Wenn dem nicht so wäre, dann dürfte ich auch nicht wagen, mich zu widersetzen, wenn sie zerstören will, und es
wäre ein ebenso großes Verbrechen, wenn ich den Stein abwenden wollte, der meinen Nachbarn zerschmettern soll, wie wenn ich
ihm den Dolch in die Brust stieße. In beiden Fällen würde ich ja dem Walten der Natur entgegentreten. Ein Haar, ein Fliege, ein
Insekt können einen kräftigen Menschen töten, dessen Leben uns von solcher Bedeutung scheint. Liegt also in dem Glauben, unsere
Leidenschaften könnten über eine von so nichtigen Ursachen abhängige Sache rechtmäßig verfügen, ein Unsinn? Wie? Ich wäre nicht
strafbar, wenn ich den Lauf des Nils oder der Seine hemmen würde und ich bin es, wenn ich einige Unzen Blut aus seinen
natürlichen Kanälen entferne? Welch ein Wahnsinn! Wenn das Individuum, das ich auflösen will, tot sein wird, werden die
Bestandteile, aus denen es zusammengesetzt ist, auch weiterhin ihren Platz im Weltall haben und werden der großen Maschine
ebenso nützlich sein wie vorher, als sie noch besagtes Wesen bildeten. Ob dieser Mensch nun lebt oder tot ist, nichts ändert
sich im Weltall und nichts geht verloren. Es ist also geradezu eine Lästerung, wenn man sagt, daß ein so vergängliches Geschöpf
wie der Mensch überhaupt die Weltordnung stören kann. Das hieße an ihm eine Macht voraussetzen, die er unmöglich von seiner
Allmutter erhalten haben kann. Ja, ich gehe noch weiter: Wenn der Mord eine Missetat ist, dann ist er es in allen Fällen, und
die Nationen, die Menschen zum Massenmord hinausstellen, sind entweder auch schuldig oder auch unschuldig. Handeln sie
verbrecherisch, dann kann ich es nach ihrem Beispiel auch sein; denn die Summe der Leidenschaften und der Interessen einer
Nation ist nur das Ergebnis aus den Leidenschaften und Interessen der Einzelnen. Ist ihre Handlung nicht verbrecherisch, dann
kann ich doch ganz sicher ihr Beispiel nachahmen, so oft es mein Interesse erfordert. Und wofür halten sie dann das Wesen, das
behauptet, ich hätte ein Verbrechen begangen?
Nein, nein, Justine. Die Natur läßt nicht in unseren Händen die Möglichkeit, Missetaten zu begehen, wenn das ihren Gang stören
könnte. Was sind wir denn, daß sie in uns die Fähigkeit hineingelegt haben sollte, ihr zu schaden? Verträgt sich diese unsinnige
Annahme mit der erhabenen Sicherheit, mit der sie ihre Ziele verfolgt? Heißt es aber der Natur schaden, wenn man sie nachahmt?
Kann sie dadurch verletzt werden, wenn der Mensch seinem Nebenmenschen das zufügt, was sie selbst jeden Tag tut? Da doch erwiesen
ist, daß sie nur nach Zerstörungen weiter erzeugen kann, so handelt man doch nach ihrer Absicht, wenn man ununterbrochen
zerstört. Wird nicht unter diesem Gesichtspunkte der Mensch, der am leidenschaftlichsten und am häufigsten mordet, ihr bester
Diener sein? Die hervorstechendste und schönste Eigenschaft der Natur ist die Bewegung, die unausgesetzt in ihr herrscht. Aber
diese Bewegung ist nur eine ununterbrochene Folge von Verbrechen. Nur durch die Zerstörung erhält und erneuert sie sich.
Andererseits muß ein untätiges, faules, das heißt ein tugendhaftes Wesen in den Augen der Natur zweifellos etwas ganz
Unvollkommenes sein, da sein Streben nach dem Frieden und der Ruhe hinzielt, die unzweifelhaft wieder Alles in das Chaos
zurücktreiben würde. Das Gleichgewicht muß erhalten werden, und das geschieht nur durch Verbrechen. Das Verbrechen liegt also
in den Absichten der Natur und kann sie daher nicht verletzen. Wen aber sonst könnte es verletzen, wenn nicht sie?...
Sexkram mit Blutgewalt als Dessert der (man glaubt es kaum) seichten Sorte in diesem Werk:
"Teufel, gibt es denn ein größeres Vergnügen?", fuhr der geile Bock fort, "aber doch halt! Ich will meine Tochter ficken."
"Unbeständiger Mensch, du bist mit nichts zufrieden," unterbrach ihn Célestine. - "Du hast kein Recht, dich über Launen zu
beklagen," entgegnete Rodin, "aber bevor wir die Gruppe bilden, die auch sicher Samen kosten wird, wollen wir noch etwas
anderes aufführen. Kniet euch alle derart nieder, daß Leonore mir ihren Popo, Fierval seinen Mund, meine Schwester einen
Popo und Martha wieder einen Mund darbietet. Rosalie wird mein Glied in der Hand halten und mich von Altar zu Altar
geleiten. Ich werde jedem meine Huldigung erweisen, worauf sie sich auf das Sopha stürzen und sich auf mein Gesicht
niederhocken wird, wodurch ich gleichsam gegen meinen Willen gezwungen sein werde, ihre Arschbacken und ihr niedliches
Arschloch zu küssen! .... Ah, kleine Schurkin!" sagte er zu Rosalie, als er mit der Reihe zu Ende, das heißt, in Marthas
Munde war, "ah, kleines Lumpenweib, Sie sollen für die Schamlosigkeit bestraft werden, die Sie eben begangen haben. Sich den
Popo vom seinem Vater küssen zu lassen, ihm die Nase hineinzustecken! Schamloses Geschöpf, ich werde Sie lehren, sich über
Ihren Vater lustig machen!" Er erfaßte sie und während er sich von Martha lecken ließ, schlug er auf Rosalie mit einem Hammer
los, bis sie in Blut gebadet war. Ueberall, wohin sein Instrument eine Wunde schlug, drückte er auch einen Kuß, saugten sich
seine Lippen fest. Aber damit geschah ihm nicht genug. Der Verbrecher drang noch in den schmalen Wohnsitz des Vergnügens
ein, er fickte seine Tochter von hinten, während Fierval die gleiche Handlung an ihm vornehmen mußte. Vor sich hatte er den
reizenden Popo Leonores, neben sich den Marthas und Célestines, und so drückte, küßte, zerriß und zerstieß er alles in seiner
Umgebung, bis endlich die Bombe platzte und der Popo Rosalies mit Samen überschwemmt wurde. So genoß der Niederträchtige.
Parallelen Dostojewskij-Sade: ist der Zwist um die Frage, ob ein Mensch töten darf oder nicht. Bei D. in "Schuld und Sühne"
besteht die Auseinandersetzung, ob ein Mensch mit außergewöhnlichen Fähigkeiten mit dem Recht ausgestattet werden kann zum
Wohle des Fortschrittes "erlaubt" töten darf, bei Sade wird das Töten "normalisiert" und zielgebunden erhöht, um die
Tugendbewahrung einer Frau aufzubrechen, was die Wertigkeit und in der Absicht, was mit ihr angestellt werden wird (und was
sie schon vorab heimlich sehen konnte, was ihr "blüht"), vor allem ihr gegenüber geäußert, harmlos und "normal" erscheinen lässt.
Erstaunlich für mich: seine (Sades) Sätze werden fast logischerweise blasphemisch der Tugendlichen entgegengeschleudert, um
ihren Glauben zu zerstören, der leidlich fest verankert scheint.
Andere Begründungen für die Taten seiner Akteure finden in erklärenden Gesprächen und Erörterungen zwischen denen selbst statt:
"Es ist recht erstaunlich," sagte er uns eines Tages, "daß die Menschen närrisch genug sind, um der Moral irgendwelchen
Wert beizulegen; ich muß gestehen, daß ich nie begreifen konnte, weshalb sie ihrer bedürfen; die Verderbnis ist nur deshalb
gefährlich, weil sie nicht allgemein ist. Man liebt nicht die Nähe eines an einem bösartigen Fieber Erkrankten, weil man die
Ansteckung fürchtet; aber ist man einmal selbst davon ergriffen, so fürchtet man nichts mehr. Das Zusammenleben einer ganz von
Laster durchseuchten Gesellschaft kann nichts Nachteiliges haben; wenn alle gleicherweise verderbt sind, können sie ohne
Gefahr miteinander verkehren. Dann wäre nur die Tugend gefährlich; da sie nicht mehr den Maßstab abgäbe, wäre es schädlich, sie
auszuüben. Bloß der Wechsel kann von Nachteil sein; wenn aber alle stets den gleichen Standpunkt beibehalten, kann es keine
Gefahren geben. Es ist ganz gleichgiltig, ob man gut oder böse ist, wenn nur alle Welt das eine oder das andere ist; aber wenn
die Gesellschaft auf Tugend gestimmt ist, wird es nachteilig, böse zu sein; das Umgekehrte ist der Fall, wenn alle verderbt
wären. Wenn aber der Standpunkt ein indifferenter ist, warum sollte man dann fürchten, das eine dem anderen vorzuziehen? Warum
sollte man staunen und betrübt sein, daß man sich auf die Seite des Lasters schlägt, sobald alles uns dahin treibt und es im
Grunde vollständig gleich ist? Wer kann mir beweisen, daß es besser ist, die anderen zu beglücken als sie zu quälen? Lassen
wir einen Augenblick das Vergnügen, das mir das eine oder das andere bereiten könnte, beiseite: ist es durchaus nützlich, wenn
die andern glücklich sind? Wenn das aber nicht der Fall ist, weshalb sollte ich mich dann hüten, ihnen Leid anzutun? Es
scheint mir, daß es sich bei alledem nur darum handelt, was ich bei dieser oder jener Handlung empfinde; denn da die Natur
mir mein eigenes Glück ans Herz gelegt hat, keineswegs aber das der anderen, hätte ich ihr gegenüber nur dann Unrecht, wenn
ich es unterlassen hätte, mich ihren Absichten und Zwecken gemäß zu ergötzen. Dasselbe Wesen, das mein Geschmack oder meine
Gewalttätigkeit unglücklich gemacht haben, weil es schwächer ist als ich, wird seine Ueberlegenheit gegen einen anderen
mißbrauchen, so daß sich alles ausgleicht. Die Katze vernichtet die Maus, wird aber selbst von anderen Tieren gefressen. Nur
um dieser Zerstörung willen hat uns die Natur geschaffen. Hüten wir uns also wohl, je der Verderbnis oder Sittenlosigkeit zu
widerstreben, wenn unsere Neigungen uns dahin drängen; es ist gar nichts Schlechtes daran, sich ihnen zu überlassen. Aus den
Grundsätzen, die ich aufstelle, geht also hervor, daß immer der Zustand der unglücklichste ist, in dem die Sittenverderbung am
allgemeinsten verbreitet ist; denn weil das Glück sichtlich im Bösen enthalten ist, wird derjenige, der sich diesem am
eifrigsten hingibt, notwendigerweise am glücklichsten sein. Man hat sich arg getäuscht, als man sagte, es gäbe eine Art
natürlicher Gerechtigkeit, die dem menschlichen Herzen stets eingeprägt sei; das Resultat dieses Gesetzes ist die absurde
Lehre, man möge anderen nichts tun, wovon man nicht wolle, daß es uns geschehe. Dieses lächerliche Gesetz, eine Frucht der
Schwäche und Energielosigkeit, konnte nie aus dem Herzen eines tatkräftigen Menschen entspringen; wenn ich aber moralische
Prinzipien aufstellen sollte, dann würde ich bei der Schwäche keine Anleihen erheben. Der, welcher sich vor dem Bösen
fürchtet, wird immer sagen, man solle es nicht begehen; während derjenige, der über Götter, Menschen und Gesetze spottet, es
immer verüben wird. Was not tut, ist zu wissen, welches von beiden wohl tut oder nicht; nun aber scheint mir das kaum fraglich.
Ich bezweifle, daß der Tugendhafte mir beweisen kann, er habe bei der Ausübung einer guten Handlung auch nur den vierten Teil
des Vergnügens empfunden, das bei einer Freveltat verspürt wird. Werde ich also, bei freier Wahl, das, was mich nicht
anregt, dem vorziehen, welchem die heftigste und angenehmste Erregung, die der Mensch verspüren kann, beständig entspringt?
Erweitern wir unseren Gedankenkreis; betrachten wir die Gesellschaft im ganzen; wir werden uns leicht die Ueberzeugung
verschaffen, daß diejenige die glücklichste ist, die am meisten dem Zustande der Fäulnis verfallen ist, und zwar in jeder
Hinsicht. Ich bin weit entfernt davon, mich auf einige spezielle Arten der Verderbnis zu beschränken; ich wünsche nicht, daß
man einfach ausschweifend, trunksüchtig, diebisch, gottlos u.s.w. sei; ich verlange, man solle alles versuchen, ganz besonders
aber die monströsesten Ausschweifungen, da man nur durch deren möglichst große Ausdehnung zu der Glückshöhe gelangen kann, die
durch das wüste Treiben gewährleistet ist. Die falschen Ideen, die wir von den uns umgebenden Geschöpfen haben, sind noch die
Quelle einer Unsumme von moralischen Irrtümern; wir schaffen uns phantastische Pflichten gegenüber diesen Geschöpfen; und zwar
deshalb, weil diese glauben, sie hätten solche uns gegenüber. Seien wir stark genug, auf das zu verzichten, was wir von anderen
erwarten, dann werden wir ihnen gegenüber keine Pflichten haben. Ich frage Sie, was sind denn alle Geschöpfe der Erde gegenüber
einer einzigen unserer Begierden? Warum sollte ich mich der geringsten berauben, um einem Geschöpf zu gefallen, das mir nichts
ist und mich nicht interessiert? Wenn ich etwas von ihm fürchte, muß ich es gewiß schonen, aber nicht seines, sondern
meinetwegen, denn alles, was ich tue, muß ich nur für mich tun; habe ich aber von jenem nichts zu besorgen, dann darf ich
sicherlich aus ihm allen erdenklichen Genuß schöpfen und es rein als ein Wesen betrachten, das nur meinetwegen geschaffen
wurde. Die Moral, um es noch einmal zu wiederholen, ist also fürs Glück unnütz; noch mehr, sie schadet ihm; nur im Schöße der
ausgedehntesten, allgemeinsten Verderbnis werden alle Individuen und Gesellschaften das größte Maß von Glück, das auf der Erde
denkbar ist, erreichen."
Wenn Gewalttätigkeit Sex, Defäkieren Sex und Inzucht Pädophilie abgelöst hat, bleibt als letzter Akt in Sachen Moralverstoß nur
noch der Mord, der in allen Varianten dargeboten wird. (Wobei es dem Leser aufgrund seiner persönlichen Tugendvorstellungen
vorbehalten bleibt, was er am ehesten oder überhaupt noch erträglich findet.)
Sei es aus der Lust heraus, die sich offenbart, wenn sich die Körperöffnungen eines Giftopfers im Todeskampf konvulsivisch
betun, oder im Ausüben von Ränkespielchen und Racheaktionen, bei denen der Protagonist das Treiben von außen beobachtet und
dabei höchste Genüsse empfindet, wie sich Familien dezimieren.
Immer wieder auf dem Altar der Boshaftigkeiten Sades: Priester und Mönche, die sich austoben, oder der Adel, wie in diesem Falle:
…Auch in Berlin gab ich mich als Bruder Josefinens aus. Diese entzückende Kreatur wurde von Tag zu Tag hübscher und machte
eine Reihe von Eroberungen. Doch ich hatte sie gelehrt, sich die auszusuchen, welche am meisten eintragen. So war es vor allem
Prinz Heinrich, Bruder des Königs, ein Mann, dessen Verstand und Galanterie ebenso bekannt waren, wie sein ausschweifender
Lebenswandel, den sie einfangen wollte. Prinz Heinrich, mehr Liebhaber von Männern als von Frauen, schloß sich nur dem an, der
ihm die beste Erfüllung seiner Passionen versprach. "Schöner Engel," sagte er zu Josefine, "bevor ich mich dir anschließe, muß
ich dir meine ebenso heftigen als eigentümlichen Leidenschaften erklären. Vor allem einmal bediene ich mich nie einer Frau, ich
ahme ihr nur nach, aber sie selbst verachte ich. Ich werde dir daher Männer zuführen, die du alle in Angriff nehmen mußt. Meine
Lieblingsgröße zeige ich dir hiermit." Und er gab ihr einen Godmischee von dreizehn Zoll Länge und neun Zoll Umfang. "Wenn du
derartige Objekte findest, so führe sie mir zu. Während der Operation wirst du von einem fleischfarbenen Gewand bekleidet
sein, welches nur deinen Arsch sehen läßt; du wirst die Schwänze, die für meinen Arsch bestimmt sind, vorbereiten, und die
Männer, währenddem sie mich bearbeiten, aufgeilen. Als Dank dafür erhältst du, wenn ich gut gevögelt worden, vierhundert
Rutenstreiche. Das ist aber noch nicht alles; alles weibliche muß gründlich an dir entweiht werden. Nach den Peitschenhieben
mußt du dich nackt auf die Erde legen und die Beine auseinanderspreizen; alle Männer, die mich besessen, müssen dir in die Fut
und auf den Busen scheißen und ich werde das dann mit meiner Zunge reinigen. Darauf hin werde ich dir, während du gegeilt
wirst, in den Mund scheißen. Denn nur so kann ich entladen." "Und was bekomme ich," fragte Josefine, "als Entschädigung für
diesen gewiß angenehmen Dienst?" "25.000 Franks monatlich und außerdem trage ich alle Kosten." "Das ist zwar nicht zu viel, aber
die Ehre Ihrer Protektion genügt für das übrige und ich stehe zu Diensten ..." "Wer ist dieser junge Mann, den Sie Bruder
nennen?" "Es ist wirklich mein Bruder, und vielleicht kann er Ihnen durch die Aehnlichkeit seiner Geschmacksrichtung dienlich
sein." - "Ah, ist er auch so ein Kerl? Gewiß, gnädiger Herr." - "Puseriert er Sie öfters?" "Manchmal." - "Das möchte ich
sehen." Josefine rief mich und der Prinz knöpfelte mir zu seinen Vergnügen sofort die Hose auf und begann mich zu geilen. Er
bewunderte mein Glied, wenn es auch nicht die vorgeschriebene Größe hatte. Er legte Josefine auf die Erde und steckte ihr
höchsteigenhändig mein Glied ins Arschloch. Kaum begann ich zu arbeiten, als er mir meine Hosen herunterzog, meinen Arsch
betastete, schleckte, sein Glied ein wenig hineinsteckte, es sofort aber wieder herauszog, und fortfuhr, meinen Arsch zu
bewundern. "Könnten sie während des Vögelns scheißen? Es ist für mich ein entzückender Anblick, einen Mann scheißen zu
sehen, während er vögelt. Ich liebe überhaupt riesig den Dreck, ja esse ihn sogar. Nur die Dummen glauben nicht an solche
Passionen. Also können sie scheißen?" Meine Antwort war einer meiner schönsten Dreckhaufen, den ich in meinem Leben
geschissen. Heinrich bekam ihn ganz in den Mund, und der Samen, den er ergoß, war ein Beweis für den Genuß, den er gehabt. Aber
er hatte mich beinahe im Scheißen übertroffen. Als ich dies wegräumen wollte, sagte er: "Nein, das ist Frauenarbeit." Josefine
mußte dies mit den Händen tun, und diese Erniedrigung ergötzte ihn….
Bei meinen Recherchen zum Autor (Videos, Abhandlungen textlicher Art) stieß ich auf die jahrzehntelange
Inhaftierung (Kerker, Irrenanstalt) des Sade, in der er hauptsächlich schrieb (bis man es ihm verbot). Nicht seine
Blutrunst, "Sodomie", Mord und Totschlag wurden ihm dabei in erster Linie zum Verhängnis, sondern seine diffamierenden
Hasstiraden gegen die Kirche. Später dann die Unruhen und die Schwiegermutter, die ihn und seine Exzesse nicht mehr ertrug
und ihn zudem im Ausland jagen ließ.
Mit 74 Jahren starb der Kollege, dessen Gespielin 13 Jahre alt gewesen sein soll, am Tag nach einer Orgie. Klischeedünkel der Nachwelt?
Faktum: er inspirierte E.A. Poe (Die Grube und das Pendel) und griff Freuds Prinzip von Eros und Thanatos vor.
Dazu der Werbetext zum vorliegenden Buch: Justine gilt als Hauptwerk des berüchtigten Autors, der die Abgründe der menschlichen
Natur ausleuchtete und den Mut hatte, offen auszusprechen, was er gesehen hatte. Die allenthalben zum Ideal erhobene Tugend
entlarvte er als Maske, überall fand er das Laster als dominierende, alles beherrschende Kraft. Der Roman, das wohl berühmteste
Werk der erotischen Weltliteratur, schildert das Leben zweier früh verwaister Schwestern, deren jüngere, Justine, ein sittsames
Leben zu führen versucht, während die ältere, Juliette, der realistischeren Erkenntnis folgt, daß nur Bedenkenlosigkeit zu
Ansehen, Wohlstand und Glück führt. Diese bittere Botschaft gipfelt darin, daß die verfolgte Unschuld, von allen
verführt, geschändet und betrogen, schließlich vom Blitz erschlagen wird; offenbar straft auch der Himmel einen Lebenswandel, der
den Gesetzen der Natur widerspricht; denn diese besagen, daß der Stärkere den Schwächeren verschlingt.
Außerdem noch ein Wikipediabeitrag: …Bei Sade finden sich zwar diverse Bezüge, die später unter dem Begriff Sozialdarwinismus
definiert wurden, aber er propagierte auch die freie Liebe, die Gemeinschaftserziehung und setzte sich vor allem für die
Entkriminalisierung bestimmter, von seinen Zeitgenossen als Perversionen angesehener Sexualpraktiken und sexuellen Identitäten
wie der Bisexualität und der Homosexualität ein…
Wer Sitzfleisch hat und sexuell trainiert ist, wie auch immer, liest den Justine- Roman
in dieser Internetbibliothek.
Wer gucken will, wie "Die 120 Tage von Sodom" (ein indizierter Film, der Sades Gedanken in eine faschistischem
Marionettenstaat impliziert und dessen Drehbuchautor Pier Paolo Pasolini auf der Suche nach seinem eigenem Rohmaterial bei
einem vereinbarten Treffen ermordet wurde) umgesetzt wurden, gehe
in dieses Internetkino.
Und als Miniepilog von mir:
Haben wir schon mal überdacht, wie oft wir im TV oder in Computerspielen Genuss beim Betrachten von Gewalt, Mord und
Totschlag empfinden? Womöglich mit detaillierten Sequenzen der dazugehörigen Qualen? In welchem Verhältnis steht dies zu
absurder "Amore" wie Kaviarsex, dem Auspeitschen und Praktiken in denen Schmerzen und Demütigungen Wollust auf Seiten der
Geber und Nehmer auslösen?
Manchmal möchte man meinen, Sade hätte geahnt, dass später mal Konzentrationslager gebaut werden, in denen Menschen aufgrund
ihrer Position in einer Diktatur das Recht eingeräumt wird, genau das auszuleben, was er selbst (wie auch in Ansätzen
Dostojewskij, der allerdings auf andere Art und Weise) hier in unendlichen Facetten aufzeigt.
Die Kunst dabei ist "nur" der Umwelt und sich selbst das Handeln als legitim zu verkaufen!
Nun noch abschließend zu meinem Schaffen:
Liebe Leser, Sponsoren und Freunde,
es bereitet mir Freude bekannt geben zu können, dass es in der ersten Jahreshälfte 2014 ein
Druckwerk in Heftform und auch als Ebook zu erstehen geben wird, welches sich diesen Sachen ohne "bedeutende philosophische Ansätze" widmet.
Bis dahin darf man getrost die Ladenglocke meines kleinen Elektrobuchhandels
auslösen, der inzwischen einigermaßen passabel floriert.
sendet mit diesem Bildchen der Pagebetreiber all den Besuchern, die hier regelmäßig vorbeigucken...